Wir treffen demnach Annahmen über unsere Mitmenschen, die auf unseren Erinnerungen aufbauen. Diese Erinnerungen können nicht ganz der Wahrheit entsprechen oder können sogar komplett falsch sein.
Es kann für viele Situationen in meinem jetzigen Lebensabschnitt also sehr hilfreich sein, vergangene Erlebnisse neu zu beleuchten und das Erlebte zu hinterfragen.
- War es tatsächlich so, wie ich es damals wahrgenommen habe?
- Was kann in meine Wahrnehmung mit hineingespielt haben?
- Auf welche Weise wurde meine Erinnerung beeinflusst?
- Kann ich diese Faktoren bei einer heutigen Betrachtung außen vorlassen?
Finde mit diesen Fragen heraus, ob prinzipiell immer die anderen schuld sind, oder ob du dazu neigst, dir selbst an allem, was passiert, die Schuld zu geben.
Durchschaust du diese Neigungen, kannst du deine Erinnerungen dahingehend überprüfen und sicherlich manches geraderücken, was sich in einer (leichten) Schieflage befindet und dich womöglich unnötig gekränkt, frustriert oder belastet hat.
Durch ein Geraderücken kann man Erleichterung erfahren. Vielleicht kannst du, wenn du dich an bestimmte Situationen erinnerst, andere Leute (z.B. Freunde) mit ins Boot holen und sie darum bitten, ihre Wahrnehmung der Geschichte ehrlich und so objektiv wie möglich zu schildern.
Möglicherweise tauchen dabei Einzelheiten auf, die du nicht wusstest, die du übersehen hast, die dich „blind“ gemacht haben, dir aber helfen, die Situation in einem neuen Licht zu sehen – oft sind es Kleinigkeiten. Gib dir einen Ruck und sprich das Ganze an. Du wirst vielleicht verblüfft sein, wie andere die Situation betrachten und gar nicht verstehen können, dass etwas, was vielleicht nur „so dahingesagt“ wurde, immer noch auf deiner Seele brennt. Dies ist sehr oft bei persönlichen Verletzungen der Fall, dass bei dir ein wunder Punkt getroffen wurde, der wie ein Stachel im Fleisch sitzt – und deshalb die Erinnerung an diese Situation niederschmetternder macht als bei anderen.
Der „erweiterte“ Blickwinkel ist oftmals für dich aufschlussreicher, als wenn du das 500ste Mal über die Sache nachgedacht und alle Dialoge ebenso oft gedanklich durchgegangen wärst. Nicht, dass der Blickwinkel anderer ein Allheilmittel ist, aber du selbst bekommst einen klareren Blick auf die Situation und kannst leichter loslassen. Der neue Blick auf alte Themen, also eine Neubewertung, lässt viele Probleme gleich kleiner werden, so dass sie sich in deinem Alltag nicht mehr so breit machen können und dein „Rucksack“ leichter wird. Vielleicht stellst du auch schon während des Prozesses fest: „Ja, damals war ich hilflos hin- und hergerissen, aber das bin ich nicht mehr. Heute habe ich eine große Kraft, anders mit der Situation umzugehen. Ich muss nicht mehr fliehen!“
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