In meinem letzten Beitrag, Teil 2 zur Wahrnehmung und Selbstreflexion, habe ich die Termini „Schattenkind“ und „Sonnenkind“ benutzt. An dieser Stelle möchte ich auf das Buch von Stefanie Stahl hinweisen, die in klarer und verständlicher Ausdrucksweise über die Entstehung und Bedeutung des „Inneren Kindes“ Auskunft gibt und Wege aufzeigt, sich mit diesen frühkindlichen Prägungen auseinanderzusetzen, daran zu arbeiten und zu wachsen. Eine sehr empfehlenswerte Lektüre. (Das Kind in dir muss Heimat finden, Stefanie Stahl, Kailash Verlag).
Im Verlauf der Kindheitsentwicklung umgibt der Mensch seine Seele mit einer Schutzhülle. Diese ist wichtig für ein vernünftiges Zusammenleben mit anderen. Er lernt zunehmend, sein Innenleben – zumindest teilweise – zu verbergen. A. Adler nennt diese Grundgestimmtheit „Sicherungstendenz“. Der Mensch tut dies nicht zuletzt auch aus der Erfahrung heraus, dass er von seinen Mitmenschen verletzt werden kann.
Wird diese Schutzhülle durchbrochen, erwacht das Gefühl der Scham und er fühlt sich ausgeliefert und bloßgestellt. Seine latent vorhandenen Minderwertigkeitsgefühle bekommen durch solche Verletzungen neue Nahrung.
Dieses erlebte Minderwertigkeitsgefühl, das Gefühl des Unterliegens, führt zu jeder Form von Kompensation. Die Kompensationen entspringen demzufolge der Angst, die selbst gespürte Minderwertigkeit könnte von anderen wahrgenommen und ausgenutzt werden („sich bloß keine Blöße geben“).
Die Schutzhülle wird unter bestimmten Umständen auch aufgegeben oder bricht zusammen:
Bei starken Frustrationen, wie z.B. Wut, extremer Angst, Trauer, Verzweiflung;
bei starken positiven Affekten, wie z.B. im Liebesakt, in jeder Form der Ekstase;
in extremen sozialen Situationen, wie z.B. in der Masse, in absolutem Alleinsein, in völligem Vertrauen;
in absoluter Schwäche, wie z.B. in der Krankheit, im Schlaf, im Rausch, im Sterben.
In extremer Ausprägung – der Mensch „mauert“ sich ein – wird die Schutzhülle zum Problem: In zwischenmenschlichen Beziehungen und in der Liebe.
Das Schattenhafte ist Teil unseres Wesens und diese Persönlichkeitsseiten sind bei jedem von uns vorhanden. Sie sollten mit Gelassenheit bearbeitet werden. Der Weg zur Selbsterkenntnis führt über die regelmäßige Reflexion. Dieser Zugang, der innere Motive, Wahrnehmungen und Gefühle analysiert, lenkt die Aufmerksamkeit folglich auch auf das, was mich antreibt, auf die Taten, mein Handeln.
Sich seiner Schattenseiten bewusst, kann der reflektierte Mensch mit diesen besser umgehen und sein Verhalten beeinflussen.
Allen Lesern sonnige und schöne Wintertage!
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