Die spezifische, ganz persönliche Art unserer Wahrnehmung beeinflusst unsere Sichtweise auf Situationen, unser Fühlen, Denken und Handeln.
Eine selektive oder einseitige Betrachtung führt zwangsläufig zu Irrtümern und Fehlhandlungen, die nicht selten den Menschen vom Menschen trennt. Wie kommen wir zu unseren Wahrnehmungen?
Um sich selbst besser kennenzulernen und einschätzen zu können, ist die so genannte „Lieblingsbrille“ von Interesse, mit welcher ich Informationen wahrnehme, auswähle und bewerte. Die Lieblingsbrille ist von unseren tief verwurzelten Glaubenssätzen geformt, zu denen ich im weiteren Verlauf noch kommen werde.
Aber nicht nur die Lieblingsbrille beeinflusst die Wahrnehmung, sondern auch meine Gedanken, Gefühle, Wünsche und momentanen Stimmungen. Unsere Wahrnehmung steht also immer mit mehreren Komponenten im Zusammenhang. Zum besseren Verständnis lohnt es sich, diese der Reihe nach einmal genauer zu betrachten
Dazu müssen wir zu den Erfahrungen zurückkehren, die wir in den engsten Beziehungen unserer frühen Kindheit gemacht haben und die uns nachhaltig geprägt haben. Die ersten Lebensjahre in der Entwicklung sind deshalb so ausschlaggebend, weil sich während dieser Jahre die Gehirnstruktur mit allen neuronalen Netzen und Verbindungen herausbildet. Allerdings können spätere Erlebnisse diese Erfahrungen noch stabilisieren.
Nicht nur die umfassende Befriedigung der elementaren körperlichen und seelischen Grundbedürfnisse spielt eine tragende Rolle, sondern auch die Erziehung.
Gelingt es vorerst den Eltern, der Familie, oder Pflegepersonen, die Grundbedürfnisse in richtigem Maß zu befriedigen, kann ein Menschenkind heranwachsen, das über ein gesundes Urvertrauen verfügt: nämlich sich selbst und anderen vertrauen zu können.
Ein Kind, das körperlich gut versorgt wird, das sich zugehörig und geliebt fühlt, sich eigenständig entwickeln kann, Anleitung erhält und Anerkennung bekommt, sich nicht hilflos, ohnmächtig und ausgeliefert fühlt und angemessen mit Lust- und Unlustgefühlen umgehen kann, bringt gute Voraussetzungen für eine gesunde Entwicklung mit.
Eltern geben sich in der Regel in ihrem Rahmen und nach ihren Möglichkeiten alle erdenkliche Mühe, diesen Anforderungen gerecht zu werden. Auch sie waren wiederum Kinder ihrer Eltern, die auch ihnen das mitgegeben haben, wozu sie in der Lage waren. Deshalb können Eltern nicht pauschal verantwortlich gemacht werden für etwaige Schwierigkeiten, die sich im Leben einer Person auftun, denn eine ausschließlich gute oder schlechte Eltern-Kind- Beziehung gibt es nur in ganz wenigen Ausnahmefällen. Festhalten lässt sich jedoch: Die Erfahrungen, die ich mit meinen engen Bezugspersonen in der frühen Entwicklungsphase gemacht habe, hinterlassen tiefe Spuren in meinem Gehirn und stellen die Weichen für mein zukünftiges Werden. Trotz dieser homogenen Umwelt entwickeln sich Kinder dennoch sehr unterschiedlich. Der Individualpsychologe Alfred Adler hat versucht, das zu erklären.
Allen Lesern einen schönen Sommer.
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